Denkmalschutzpreis 2016
Alle zwei Jahre loben der Schwäbische Heimatbund und der Landesverein Badische Heimat den von der Wüstenrot Stiftung finanzierten Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg aus. Schirmherr des Preises ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Vergeben werden fünf gleiche Preise an private Bauherren, die im Rahmen von Gesamtsanierungen historischer Bauten denkmalpflegerisch besonders vorbildlich mit ihrem Eigentum umgegangen sind.
Die Jury aus Vertretern des Schwäbischen Heimatbundes, der Badischen Heimat, der Wüstenrot Stiftung, der Landesdenkmalpflege, des Städtetags und der Architektenkammer Baden-Württemberg kürte aus nicht weniger als 86 Bewerbungen schließlich ein bis ins Mittelalter zurückgehendes Stadthaus in Konstanz, einen Schwarzwaldhof in Schönwald, das Uhland-Haus in Tübingen, den ehemaligen Bahnwasserturm in Heidelberg und eine Tankstelle in Tettnang aus dem Jahr 1950. Wieder einmal zeigte sich, wie vielfältig die Denkmallandschaft im Südwesten in typologischer Hinsicht ist, dass aber auch immer mehr Sanierungen von Bauten der jüngeren Vergangenheit ins Blickfeld geraten.
Kulturdenkmale sind eben nicht nur spektakuläre Gebäude, wie Burgen und Schlösser, Kirchen und Klöster oder die heute touristisch in den Fokus gerückten Welterbestätten, sondern auch eine Vielzahl ebenso wichtiger Zeugnisse alltäglicher Architektur aus vielen Jahrhunderten, die unsere gebaute Umwelt in ihrer Geschichtlichkeit erlebbar machen“, so der Juryvorsitzende Dr. Gerhard Kabierske vom Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau am Karlsruher Institut für Technologie. Beim gesellschaftlichen Auftrag zur Erhaltung der Kulturdenkmale für künftige Generationen sind die Denkmaleigentümer in starkem Maße in die Pflicht genommen. Nicht jeder von ihnen nimmt seine im Grundgesetz verankerte Aufgabe wirklich ernst. Umso wichtiger ist es, dass beispielhaftes privates Engagement auch öffentlich gewürdigt wird. Als Zeichen der Anerkennung erhalten die Bauherren einen Geldpreis von 5.000 Euro sowie eine Bronzeplakette zur Anbringung an ihrem Gebäude. Zudem ist die Auszeichnung mit Urkunden für die Eigentümer sowie die beteiligten Architekten und Restauratoren verbunden. Die Preise werden im Rahmen einer Festveranstaltung im Frühjahr 2017 am Ort eines der Preisträger überreicht.
Informationen zu den ausgezeichneten Objekten sowie zu allen bisherigen Preisträgern des seit 1978 vergebenen Denkmalschutzpreises finden sich im Internet unter http://www.denkmalschutzpreis.de.
Bei einem Besuch der Architekturbiennale in Venedig fiel bei Armin Schäfer, Stephan Weber und Stefan Loebner der Entschluss, nach zehn Jahren erfolgreicher Tätigkeit endlich eigene Räume für ihr Architekturbüro Aag in Heidelberg zu suchen. Schnell geriet als mögliches Domizil der ehemalige Wasserturm am Rand des früheren Bahngeländes im Westen der Stadt in den Blick. Gegenwärtig entsteht dort mit der „Bahnstadt“ ein neues Stadtquartier. Der raue Charme, aber auch die monumentale Geste des 30 Meter hohen Turmes, hinter dessen dunkelroter Klinkerfassade eine eindrucksvolle Betonkonstruktion mit großem Wasserbehälter steckt, begeisterte die Architekten. Der Funktionsbau mit architektonischem Anspruch war in den 1920er‐Jahren durch die Reichsbahndirektion zur Wasserversorgung der dampfbetriebenen Lokomotiven errichtet worden. Die beiden seitlich anschließenden Flügel beherbergten Werkstätten und Sozialräume. 2014 erwarb das Büro den lange Jahre leerstehenden und heruntergekommenen Bau, der bereits 1989 als Kulturdenkmal eingestuft worden war. Da das Raumangebot die erforderliche Fläche überstieg, entwickelten die Architekten ein Konzept, das dem dominierenden Gebäude unter dem Namen „Tankturm“ auch eine teilweise öffentliche Nutzung sichert und es zu einem Mittelpunkt des neuen Stadtteils macht. Auf zwei Etagen des Ostflügels, im ausgebauten Dach darüber sowie in den unteren Geschossen des Turms hat nun das Architekturbüro seinen Platz gefunden, während im Westflügel, in den Kellerräumen und in den Turmobergeschossen Veranstaltungsräume für geschäftliche und kulturelle Nutzungen angeboten werden. Als Mieter hat hier etwa der Heidelberger Verein für zeitgenössische Musik „Klangforum“ seine temporären Proberäume gefunden.
Die historische Bausubstanz wurde weitestgehend erhalten und vorsichtig repariert. Dies betrifft die originalen dunkelgrau gestrichenen Holzfenster mit ihren für die 1920er‐Jahre typischen querrechteckigen Teilungen ebenso wie die in den Bahnwerkstätten eigens hergestellten groben Beschläge, die alten Installationen des Wasserturms oder die Betonoberflächen der Treppe im Turm sowie vor allem das Innere des ehemaligen Wassertanks, das mit seinen Kalk‐ und Rostablagerungen geradezu Kunstwerk‐Charakter besitzt.
Es waren jedoch auch Eingriffe in das Gebäude notwendig. Die Büros und Veranstaltungsräume in den Flügelbauten erhielten eine isolierende Innenschale, die sich optisch geglückt als eine spätere Zutat zu erkennen gibt. Die Belichtung der ausgebauten Walmdächer erfolgt durch einen umlaufenden Lichtschlitz, der unter Erhaltung des originalen Dachstuhls durch den geschickten Wechsel der Dämmung zwischen innen und außen möglich wurde. Im Turm mussten eine für die neue Funktion erforderliche neue Treppe und ein Aufzug eingebaut werden. In ihrer Gestaltung sind diese Teile aus rostendem Stahl deutlich als nachträgliche Zutaten zu erkennen. Dies gilt auch für die beiden am Turm von der Feuerwehr geforderten Außenbalkone zum Anleitern im Brandfall sowie die Feuertreppe auf der Ostseite.
Alle diese Maßnahmen wurden mit den Denkmalbehörden abgestimmt und erfolgten auch nach Meinung der Jury mit Augenmaß und einer dem Bau angemessenen Weise. Die nicht alltägliche Umnutzung des Kulturdenkmals hat es in seinem historischen und architektonischen Aussagewert nicht geschmälert.
Gerade einmal 69 Quadratmeter misst die Grundstücksfläche des Kleinhauses in einer Altstadtgasse von Konstanz, das den Architekten Rolf Huesgen schon seit längerem interessierte. Es stand viele Jahre leer, weil sein Zustand völlig heruntergekommen war und der Grundstückszuschnitt bei einer Breite von wenig mehr als drei Metern ein Wohnen nach heutigen Vorstellungen kaum zuzulassen schien. Rolf Huesgen reizte aber die Aufgabe, das bis ins Mittelalter zurückreichende Kulturdenkmal in sein künftiges Wohnhaus umzuwandeln.
Bauforschung und Bauaufnahme durch Burghard Lohrum, Befunduntersuchungen durch den Restaurator Robert Lung sowie archivalische Recherchen und die Erfassung der kompletten Ausstattung in einem Raumbuch klärten zunächst die komplexe Geschichte des verwinkelten Anwesens, dessen baulicher Bestand bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Keller ließ sich dendrochronologisch auf 1290 datieren, wobei dieser sogar die ottonische Stadtmauer mitverwendet hatte. Die Fachwerk-konstruktion wurde um 1356 errichtet und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf die heutige Tiefe des Grundstücks erweitert. War der Bau zunächst über Jahrhunderte offenbar nur ein Speicherbau eines der Nachbarhäuser, so zeugt der Einbau einer Bohlenstube mit einer Bretterbalkendecke ab dem 16. Jahrhundert auch von einer kontorähnlichen Nutzung. Erst Veränderungen des späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert belegen eindeutig die Funktion als beheizbares Wohnhaus.
Die genauen Voruntersuchungen schärften den Blick für die historischen Wertigkeiten, was für eine substanzschonende Sanierung unverzichtbar ist. Notwendige Modernisierungseingriffe wurden so gelenkt, dass die historische Substanz weitestgehend erhalten blieb. Die durch die große Haustiefe bedingte unbefriedigende Belichtungssituation ließ sich durch ein von der Straße aus nicht sichtbares, schlitzförmiges Atelierfenster im Dach lösen. Von dort fällt das Tageslicht in der Mitte des Hauses durch Glasböden von oben bis ins Erdgeschoss. Auch dank der Wiederöffnung des nachgewiesenen Bandfensters des 16. Jahrhunderts zur Straße wurde es heller im Haus. Neue Elemente sind bewusst in modernen Formen ausgeführt, während mittelalterliche Oberflächen bis hin zu Tapetenresten des 20. Jahrhunderts restauratorisch gesichert in die collageartige Gestaltungskonzeption einbezogen wurden.
Die aufwändige Sicherungsmaßnahme führt beispielhaft vor Augen, dass auch eine äußerst schwierige und sensible Denkmal-substanz mit zeitgemäßen Wohnansprüchen verbunden werden kann. Es gelang der Spagat zwischen denkmalgeschützter Bausubstanz, Wiederherstellung des statischen Gefüges ohne zerstörerische Eingriffe, modernem Energiekonzept und den heutigen Funktionen eines kleinen Einfamilienhauses von 100 Quadratmetern Wohnfläche auf vier Ebenen.
Die Jahreszahl 1591 steht auf einem Balken an der Tür des Hofs. Wie das Idealbild eines urtümlichen Schwarzwaldhofs schmiegt sich der breit gelagerte Holzbau mit seinem weit auskragenden Walmdach in die Landschaft eines Hochtals südlich von Schönwald. Wegen der weitgehend auf das Baujahr zurückgehenden Substanz wurde er bereits früh von der Forschung beachtet und als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung eingestuft. Im Lauf der Jahrhunderte erlebte der Hof nur wenige Veränderungen, wie den Einbau einer Hocheinfahrt in den Dachraum oder den Anbau eines Leibgedings, das bei einer Teilsanierung 1976 wieder entfernt wurde. Die schadhafte Holzverschindelung des Daches wurde zu diesem Zeitpunkt mit Faserzementplatten überdeckt. Damals gehörte der Hof mit seiner Fläche von 45 Hektar Wald und Wiesen noch der Gemeinde Schönwald, die ihn über 150 Jahre lang durch Pächter bewirtschaften ließ.
Angesichts dringend notwendiger Sanierungsmaßnahmen beschloss die Gemeinde 2013, sich von dem unrentierlichen Objekt zu trennen. Es war ein Glücksfall, dass Anja Kluge und Ingolf Gössel aus Stuttgart, Inhaber des Architekturbüros gk gössel+kluge generalplaner, auf den Hof aufmerksam wurden. Ihre Bereitschaft, das Anwesen nicht nur als Zweitwohnsitz und Dependance ihres Architekturbüros zu nutzen, sondern auch die Landwirtschaft unter Naturschutzaspekten und extensiver Arbeitsweise weiterzubetreiben, gab den Ausschlag, dass sie in einem Bieterverfahren neue Eigentümer wurden.
In enger Abstimmung mit den Denkmalbehörden erfolgte seit 2014 eine umfassende Sanierung, für die zunächst von den Bauforschern Dr. Stefan Blum, Stephen King und Burghard Lohrum sowie das eigene Büro detaillierte Untersuchungen durchgeführt wurden. Die folgenden baulichen Maßnahmen wurden unter Beibehaltung der Grundrisse in traditioneller Handwerkskunst durchgeführt. Schadhafte Hölzer wurden ausgetauscht, Verformungen vorsichtig rückgängig und Holzverbindungen wieder kraftschlüssig gemacht. Die Entfernung der Zementplatten auf dem Dach und die Neueindeckung mit handgespaltenen Holzschindeln, unter denen die Reste der historischen Verschindelung erhalten blieben, förderte die Außenwirkung. Als positiv bewertet hat die Jury auch das Ziel, trotz des Grundsatzes der Minimierung von Veränderungen den Hof niedrigenergetischen Standards anzupassen. Im originalen Aufbau der Außenwand wurden als Kernschicht eine Holzfaserdämmung sowie eine speziell abgestimmte Windsperre eingebracht. Die neuen Holzfenster nach historischem Vorbild wurden als Kastenkonstruktionen ausgebildet. Die dauerhafte Grundwärme von 20 Grad Raumtemperatur liefert auch in kalten Wintern eine geothermische Anlage, die in einem der früheren Wirtschaftsräume installiert wurde, ohne die Bausubstanz zu beeinträchtigen. Traditionelle Grundöfen in den Stuben und der restaurierte Herd in der Rauchküche liefern bei Bedarf zusätzliche Wärme.
Für erforderliche Neubauteile sind ausschließlich die am ursprünglichen Bau vorhandenen Materialien Holz, Granit und Lehm verwendet. Auf Fliesen wurde ganz verzichtet, stattdessen die Wände mit Lehm verputzt und der Boden mit einem mit Stallmist versetzten Lehmestrich versehen. Moderne Sanitärelemente erscheinen als hinzugefügte Objekte von skulpturaler Wirkung.
Die ersten Automobile wurden mit Kraftstoffen betrieben, die Apotheker, Drogisten, Kohlehändler oder Gastwirte bereithielten. Simple Pumpen standen dafür vor Läden oder Gasthäusern bereit. Erst seit den 1920er‐Jahren bildete sich der Typus der Tankstelle heraus, eine neue Bauaufgabe, die sich infolge der zunehmenden Motorisierung ebenso rasch weiterentwickelte. Die baulichen Zeugnisse, selbst wenn sie hie und da durchaus architektonischen Ansprüchen genügten, hatten selten längeren Bestand. Der Veränderungsdruck war angesichts technischer Vorgaben, Sicherheitsauflagen und sich wandelnden Geschäftsmodellen immer groß, und er ist es bis heute geblieben. Allenfalls bei Aufgabe der eigentlichen Nutzung besteht normalerweise eine gewisse Chance der Erhaltung.
So traut man fast seinen Augen nicht, wenn man an der Ravensburger Straße im oberschwäbischen Tettnang tatsächlich noch eine alte Tankstelle in Betrieb entdeckt. Und dass sie alt ist, macht ein Vergleich mit einer heute üblichen Tankstation in der unmittelbaren Nachbarschaft deutlich. Die Dimensionen wirken dagegen fast puppenhaft. Gerade einmal zwei Zapfsäulen stehen rechts und links einer Stütze, die sich nach oben erweitert und mittig eine profilierte, nach vorne abgerundete Kragplatte trägt. Sie überdacht nur eine einzige Autovorfahrt, deren geringe Durchfahrtshöhe hohe Lastwagen kaum zulässt. Wie das Dach so ist auch der darunter geschobene Kassenraum mit seinem abgerundeten Grundriss und dem charakteristischen, ebenso gerundeten Fensterband, dem weißen Anstrich über grauem Sockel und einem schmalen, über den Fenstern umlaufenden roten Streifen der Ästhetik des Neuen Bauens der späten Zwanziger Jahre verpflichtet.
Die Tankstelle ist 1950 nach einem Entwurf der „Deutsch‐Amerikanischen Petroleumgesellschaft“, hinter der der Esso‐Konzern stand, errichtet worden. Ein ähnlicher Bau wurde etwa gleichzeitig in Friedrichshafen erstellt. Bauherr in Tettnang war Karl Dangel, der die Tankstelle bis zu seinem Tod 1972 betrieb. Schon um 1958 war seitlich eine Reifenwerkstatt und ein Lagerraum angebaut worden. Weitere Veränderungen, die das klare äußere Erscheinungsbild beeinträchtigten, sollten folgen. Im Inneren wurde eine Wand versetzt, um einen von hinten durch ein Fenster bedienten Imbissverkauf zu ermöglichen.
Trotz dieser Maßnahmen wurde der Bau 2000 als Kulturdenkmal ausgewiesen – gerade noch rechtzeitig, um Abbruchanträge der veralteten Anlage denkmalrechtlich ablehnen zu können. Es ist das Verdienst der Fritz Wahr Energie GmbH & Co. KG in Nagold, die insgesamt 21 MTB‐Tankstellen betreibt und seit 2005 Eigentümerin des ungewöhnlichen Objekts ist, sich mit ihrem, dem üblichen Standard gewiss nicht entsprechenden Objekt angefreundet zu haben. Heute empfindet die Firma die Tettnanger Niederlassung als „unser Schmuckstück“. In Abstimmung mit der Denkmalpflege wurde die Tankstelle im Frühjahr 2016 vorbildlich saniert. Das Kragdach, das überraschenderweise keine Beton‐, sondern eine Holzkonstruktion ist, wurde repariert. Die verunstaltenden Um‐ und Anbauten wurden unter Erhalt der Originalsubstanz zurückgebaut und das ursprüngliche Erscheinungsbild mitsamt der früheren Farbigkeit nach Befund wieder hergestellt. Somit ist es das Verdienst des Eigentümers, ein rar gewordenes Dokument der Verkehrsgeschichte des 20. Jahrhunderts in ursprünglicher Form und Funktion weiterzutradieren.
Jahrelang sorgten sich die Restauratorin Simone Korolnik und der Journalist Burkhard Baltzer um den Zustand des stattlichen Hauses in der Tübinger Altstadt, in dem sie zur Miete wohnten. Das Dach war undicht, und eingedrungenes Wasser zog mehr und mehr die Fachwerkkonstruktion in Mitleidenschaft. Sanitäreinrichtungen und Brandschutz waren unzureichend, die Wohnungen feucht und durch unsachgemäße Renovierungen in den 1990er‐Jahren in ihrem Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigt worden. Dabei bildete das Gebäude in der Zeile der hohen Giebelhäuser einen besonderen Glanzpunkt der Neckarhalde, einer der schönsten Straßen der Universitätsstadt. Der eindrucksvolle, tief in den Boden eingegrabene Gewölbekeller, direkt von der Straße aus durch eine steile Treppe erschlossen, und der vom Keller bis auf das Niveau des Neckars hinabreichende Brunnenschacht stammen spätestens aus dem 16. Jahrhundert. Das steinerne 1. Obergeschoss, zwei weitere Geschosse in verputztem Fachwerk und die zwei Dachgeschosse sind ein repräsentativer Neubau des Jahres 1772, der nicht nur in der spätbarocken Fassadengestaltung, sondern auch in der inneren Ausstattung mit Türen, Böden und Stuckdecken in seiner Substanz noch gut erhalten ist. Eine Tafel an der Fassade vermeldet zudem, dass hier 1787 der schwäbische Dichter und Politiker Ludwig Uhland geboren wurde, ein weiterer Grund, warum das Haus 1993 als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung ins Denkmalbuch eingetragen wurde. Den Niedergang des Anwesens schien dies trotzdem nicht aufzuhalten, was bis in die Lokalpresse hinein thematisiert wurde.
Die Wende kam erst mit der Entscheidung der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG, sich von der Immobilie zu trennen. Korolnik und Baltzer beschlossen deshalb 2014, selbst als Käufer aufzutreten. Mit dem syrischen Arzt Rami Archid sowie Erika Gaier und Jürgen Heerlein fanden sie weitere Miteigentümer und potentielle Bewohner, um nun als Baugemeinschaft bürgerlichen Rechts eine professionelle Sanierung des wertvollen Hauses in Angriff zu nehmen. Das Planungsbüro für Architektur und Denkmalpflege Lukaschek & Zimmermann in Bad Schussenried wurde mit einer detaillierten Schadensaufnahme beauftragt, und förderte eine Fülle von Baumängeln bis hin zu massivem Schwammbefall zutage. Die Architektin Verena Klar in Mähringen und der Architekt Pierre Archid in Tübingen leiteten danach die Bauarbeiten, an der zwei begutachtende Restauratoren, ein Statiker, ein Energieberater und nicht weniger als 17 Handwerksfirmen unterschiedlichster Gewerke beteiligt waren. Zudem brachten sich die Eigentümer mit viel Eigenarbeit ein, um die Kosten niedrig zu halten.
Es gelang, die erhaltene Originalsubstanz weitestgehend zu bewahren, ohne gravierende Eingriffe in die Struktur heutigen Ansprüchen an Sicherheit, Haustechnik und Hygiene zu entsprechen und den Wohnwert deutlich zu steigern. Der Rückbau von abgehängten Decken, aufgedoppelten Fußböden sowie anderen unzulänglichen „Modernisierungen“ der letzten Jahrzehnte machen die Geschichtlichkeit des Hauses wieder erlebbar. Beispielhaft fand die Jury zudem, wie die vier Eigentümer trotz unterschiedlicher Herkunft und Berufe sowie begrenzter Mittel sich gemeinschaftlich auf das Projekt eingelassen haben und das Haus unter Zurückstellung von Einzelinteressen weiterhin als bauliche Einheit erscheint.