Preisträger*innen
Dokumentarfotografie Förderpreise 07 (2007)
Typ

Aymeric Fouquez richtet seinen Blick auf Landschaften der Lausitz, südöstlich der Stadt Leipzig, einer Region, die unter dem Namen »Schwarzes Dreieck« bekannt wurde. In der ehemals sanften, von kleinen bis mittleren Ortschaften besiedelten Heidelandschaft wurde seit den frühen 1920er Jahren und verstärkt nach 1945 Braunkohle in Tagebauweise abgebaut. Als Zentrum der Schwerindustrie und Energiegewinnung der DDR wurde innerhalb weniger Jahrzehnte die gesamte topografische Gestalt der Region verändert, umgegraben und zerstört. Dörfer mussten dem Tagebau weichen, zigtausende Menschen wurden bis in die frühen 1990er Jahre umgesiedelt. Zurückgeblieben sind zerfressene, vergiftete, wüstenartige Areale, die seit der Deindustrialisierung der Region Ende des 20. Jahrhunderts als so genannte Folgelandschaften in aufwändigen Sanierungsmaßnahmen rekultiviert werden. Den dabei als Kombinationen von Industrienatur und -kultur entstehenden Landschaften soll durch Maßnahmen wie die Flutung der Restlöcher des Tagebaus ein erhöhter Freizeitwert abgerungen werden.
Aymeric Fouquez betrachtet diese Landschaften aus einer großen räumlichen Distanz. Wie episch weite Panoramen legt er sie in fotografische Bilder, die an den Duktus amerikanischer Landschaftsfotografie denken lassen. Doch es ist nicht die heroisierende Inszenierung imposanter Naturschauspiele und erhabener Naturdenkmäler wie beispielsweise in den Fotografien von Ansel Adams, sondern der zivilisationskritische Blick auf die vom Menschen veränderte Umwelt der New Topographics wie von Robert Adams oder Stephen Shore, die Aymeric Fouquez in seiner Arbeit »Folgelandschaften« aufgreift und weiterentwickelt. Seine Bestandsaufnahme der landschaftlichen Veränderung im Prozess historisch-wirtschaftlicher Entwicklungen stellt das »unmittelbar räumliche Verhältnis historischer Spuren zu ihrer heutigen Umgebung« (Aymeric Fouquez) dar.


Für ihre Arbeit »Land ohne Eltern« beschäftigte sich Andrea Diefenbach intensiv mit der Lebenssituation von Arbeitsmigranten aus der Republik Moldau, einem der ärmsten Länder Europas. Seit der Unabhängigkeit des Staates 1991 hat etwa ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung das Land verlassen, um in Russland oder in den westlichen Ländern der Europäischen Union ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Andrea Diefenbach fotografierte Frauen und Männer, die nach Italien gehen, um dort, meist ohne offizielle Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, als Illegale in der Fremde, die Pflege und Fürsorge für Alte und Kranke zu übernehmen und damit das finanzielle Auskommen ihrer eigenen, in der Heimat zurückgelassenen Kinder und Eltern zu sichern. Andrea Diefenbach ist eine große Nähe zu ihren Protagonisten gelungen, die es ihr möglich machte, Alltagssituationen auf beiden Seiten empfindsam visuell zu vermitteln und eindrückliche Bilder für die emotionale Bindung der Personen über die räumliche Distanz hinweg zu finden.

Ein Land im Übergang zeigt Kirill Golovchenko in seiner Arbeit »Der ukrainische Durchbruch«. Seit der Unabhängigkeit 1991 und nach der so genannten Orangenen Revolution von 2004 ist die Politik der Ukraine von einem Machtkampf zwischen pro-westlich ausgerichteten und eng nach Russland orientierten Vertretern geprägt. Das zweitgrößte Land Europas befindet sich in einem gesamtwirtschaftlichen Transformationsprozess, der trotz des starken wirtschaftlichen Aufschwunges seit 2000 noch längst nicht abgeschlossen ist. 2007/08 wurde von der Regierung unter dem Titel »Ukrainischer Durchbruch: für Menschen, nicht für Politiker« ein strategisches Programm vorgelegt, das unter anderem Gerechtigkeitsideen mit Konzepten für die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit des Landes kombiniert und sich als ein grundlegendes »Wohlstandsgesetz«, als »Wegweiser in das 21. Jahrhundert« versteht. Kirill Golovchenko, in Odessa geboren, widmete sich in seiner vorangegangenen Arbeit »7 km – Feld der Wunder« (2007) den Wirtschafts- und Handelsformen der postsowjetischen Zeit in der Ukraine am Beispiel des florierenden, größten Marktplatzes Europas vor den Toren der Stadt Odessa.
In seiner Arbeit »Der ukrainische Durchbruch« legt er den Fokus auf die sich verändernde Waren- und Dingwelt des Alltags. Er entdeckt dabei Konstellationen, in denen die Rezeption westlicher Kulturgeschichte und Produktwelt zum Ausdruck für die aktuelle gesellschaftliche Ambivalenz in der Ukraine wird.

In »Die Kammer, Kienbaum« von 2008 beschäftigt sich Margret Hoppe mit einem Ort der Sportgeschichte der DDR . Etwa 35 Kilometer östlich von Berlin befindet sich ein als Trainingsstätte für Leistungssportler genutztes Gelände mit Hallen, Bahnen und Plätzen. Seit 1952 betrieb dort der Deutsche Sportbund der DDR ein Leistungssportzentrum zur Vorbereitung von Athleten auf Wettkämpfe, Meisterschaften und Olympiaden. Wohl jeder, der für die DDR eine Medaille gewonnen hat, wird zum Training in Kienbaum gewesen sein. 1980 wurde dort eine Luftunterdruckkammer in Betrieb genommen, in der für Leichtathleten, Wassersportler, Turner, Ball- und Radsportler Höhentrainingsbedingungen bis zu 4000 Meter simuliert werden konnten. Unter ärztlicher Aufsicht, von Trainern begleitet und von Aufzeichungskameras überwacht, ließen sich Sportler einschließen, um den Sauerstoffhaushalt ihres Bluts zu manipulieren und so Bestleistungen zu erreichen. Zehn Jahre später, im Zuge der Umstrukturierungen nach der politischen Wende, ging die Kammer außer Betrieb und wurde nicht mehr genutzt. Seither ruht dieser Ort in einem dornröschenartigen Schlaf.
Die Funktion und die archaische Ausstattung geben jedoch keinen berechtigten Anlass für die Erwartung, je geweckt zu werden, längst sind sie überholt von den heutigen Möglichkeiten der sportlichen Leistungssteigerung durch Medizin und Technik. Margret Hoppe zeigt die Kammer in ihren Fotografien als einen Ort, der seine eigene Geschichte konserviert hat.



Die Stiftung auf Instagram
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Am 21. September wird im @museum_folkwang die inzwischen 14. Ausgabe der Dokumentarfotografie Förderpreise 14 der @WuestenrotStiftung eröffnet. Kuratiert wurde sie dieses Mal von Matthias Gründig @eelvshuman, der bis 2022 bei uns an der @folkwang_uni als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war.
In der Ausstellung beleuchten die vier Preisträger:innen @JanaBauch, @Marc_Botschen, @Ramona_Schacht und Dudu Quintanilha zwischen Archivmaterial, künstlerischen wie journalistischen Praktiken und bewusster Inszenierung verschiedene Positionen im Feld des Dokumentarischen. Im Zentrum der fotografischen und filmischen Arbeiten stehen Fragen nach Prozessen der Kollektivierung ebenso wie nach dem Subjekt, nach Körper und Geschlecht, Genealogie und soziopolitischer Bedingtheit. Das wird ein ziemlich bunter, spannender Mix.
#museumfolkwang
#wüstenrotstiftung
#janabauch
#marcbotschen
#ramonaschacht
#DuduQuintanilha
#matthiasgründig ...
#Repost - @museum_folkwang
In cooperation with the Wüstenrot Foundation, Museum Folkwang will present new works by Jana Bauch, Marc Botschen, Dudu Quintanilha and Ramona Schacht from 22 September 2023 to 1 January 2024, which were created as part of the "Documentary Photography Award 14". The artists deal with people in historical as well as current social structures in different ways. Come by on 21 September at 7 p.m. and celebrate the opening with us! The artists will be present. Free admission.
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In Zusammenarbeit mit der Wüstenrot Stiftung präsentiert das Museum Folkwang vom 22. September 2023 bis 1. Januar 2024 neue Arbeiten von Jana Bauch, Marc Botschen, Dudu Quintanilha und Ramona Schacht, die im Rahmen der „Dokumentarfotografie Förderpreise 14“ entstanden sind. Die Künstler:innen setzen sich in unterschiedlicher Weise mit dem Menschen in historischen sowie aktuellen sozialen Gefügen auseinander. Kommt am 21. September, um 19 Uhr, vorbei und feiert mit uns die Eröffnung! Die Künstler:innen sind anwesend. Eintritt frei.
Ramona Schacht @ramona_schacht
Dudu Quintanilha #duduquintanilha
Marc Botschen @marc_botschen
Jana Bauch @janabauch
@wuestenrotstiftung @eelvshuman
Bilder/Images:
1. Ramona Schacht, o. T., Detail (Mitarbeiterinnen des Textillabors: S. Rizvanova und V. Kuzmina, Modedesignerinnen, M. Kukushkina, Arbeiterin, Textilfabrik R. Luxemburg, Kyiv 1957, TsDKFFA, Ukraine), 2023, aus der Sektion „Belehrungen“ innerhalb der Werkserie PICTURES AS A PROMISE (p.a.a.p.), 2022 – fortlaufend © Ramona Schacht
2. Dudu Quintanilha, Das Leben ist vorbei, Still aus dem Video Unstable Group, 2023 © Dudu Quintanilha
3. Marc Botschen, Die Richtigkeit s6_30 aus der Werkserie Soft Pass, 2023 © Marc Botschen
4. Jana Bauch, Ronnie, 2021, aus Y-Topia, 2021–2023 © Jana Bauch
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📣Unsere neue Studie ist erschienen!
"Neu im Dorf - Wie der Zuzug das Leben auf dem Land verändert"
Seit einigen Jahren ziehen die Menschen in Deutschland wieder häufiger aufs Land. Überfüllte Großstädte, steigende Mieten und der Trend zum Homeoffice machen den Umzug ins Grüne für viele attraktiv – vor allem für junge Familien. Das Berlin-Institut und die Wüstenrot Stiftung haben in der 2022 veröffentlichten Analyse „Landlust neu vermessen“ die Wanderungsstatistiken der vergangenen Jahre untersucht. Darauf aufbauend beschreibt die Studie „Neu im Dorf“, wie der Zuzug das Leben auf dem Land verändert. Dazu haben wir sechs Gemeinden besucht und mit zahlreichen Menschen gesprochen.
Der Zuzug kann neuen Schwung in ländliche Gemeinden bringen, die vormals schrumpfende Einwohner:innenzahlen zu verzeichnen hatten. Doch neue Bewohner:innen bringt auch neue Herausforderungen. Welche Gemeinden besonders zulegen und wie es gelingt, das Zusammenleben zu gestalten, beschreibt die Studie: Neu im Dorf – Wie der Zuzug das Leben auf dem Land verändert.
Die Studie kann kostenfrei bestellt oder herunterladen werden
➡️Link in Bio
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Wie ist es bei euch? Seid ihr Team Stad oder Team Land?
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