Jana Bauch, Ronnie, 2021, aus Y-Topia, 2021–2023 © Jana Bauch

Dokumentarfotografie Förderpreise 14 (2022)

Jury

René Hartmann, Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg
Anna Planas, Freie Kuratorin, Paris
Anne Ruygt, Kuratorin, FOMU Fotomuseum Antwerpen
Thomas Seelig, Leiter Fotografische Sammlung, Museum Folkwang, Essen
Joscha Steffens, Künstler, Preisträger DF12, Heidelberg/Amsterdam

„Die eingereichten Bewerbungen für die Förderpreise verdeutlichen einmal mehr das anhaltend starke Interesse an der Auseinandersetzung mit dem dokumentarischen Blick. Die prämierten Projektvorhaben zeichnen sich durch stringente politische Haltungen aus und finden ihre künstlerischen Ausdrucksformen in unterschiedlichen Variationen. Die Bandbreite reicht von Fotografien des Widerstands, Videodokumentationen von sozialen Zusammenkünften, bis hin zu Archiv- und Collage-Arbeiten sowie drucktechnischen Experimenten in Form von Zines und Installationen im Raum.“

Preisträger*innen

Jana Bauch Marc Botschen Ramona Schacht Dudu Quintanilha

Nachdem Jana Bauch bereits die Räumung des Hambacher Forsts fotojournalistisch begleitete, widmet sich ihr Projekt Y-Topia der Besetzung des Ortes Lützerath durch die junge, internationale Klimaprotestbewegung. Lützerath war am Rande des Tagebaus Garzweiler II gelegen und wurde durch dessen geplante Erweiterung durch den Energiekonzern RWE von der Landkarte getilgt. Im öffentlichen Diskurs kristallisierte sich die Ortschaft als Symbol heraus, das sowohl für die offensiven Forderungen nach einer angemessenen Klimapolitik als auch für ihre realpolitische Enttäuschung steht. Jana Bauch dokumentierte seit 2021 die Besetzung des da bereits weitgehend umgesiedelten Ortes durch Aktivist:innen bis zu dessen Räumung durch einen polizeilichen Großeinsatz im Januar 2023. Dabei unterscheidet sie nicht zwischen sich als Fotografin und den Aktivist:innen, sondern ist Teil der Bewegung und verlängert ihren Protest mittels fotografischer und filmischer Aufnahmen bewusst in die Öffentlichkeit und den musealen Raum. Ihre Arbeit ist daher wenig interessiert an bloß schnell verwertbaren, aktuellen Pressebildern, sondern sucht aktiv nach Möglichkeiten, die Lebensrealitäten der Aktivist:innen, insbesondere jene der beiden Protagonist:innen Ronnie und Indigo, gerade in ihrer Langfristigkeit zugänglich zu machen.

Zentrales Element und Ausgangspunkt von Marc Botschens Arbeit Soft Pass ist mit dem „Ahnenpaß“ seines Großvaters ein historisches Dokument des nationalsozialistischen Regimes, das den Abstammungsnachweis einer sogenannten arischen Herkunft enthält. Der „Ahnenpaß“ diente im bürokratischen Apparat des Nationalsozialismus dazu, bestimmte Identitäten qua Genealogie als staatlich legitim zu verbriefen und zugleich andere, die nicht in das Raster von Herkunft, Reinheit, Blut und Boden passten, radikal zu entrechten. Im historischen Kontext nahm er damit eine zentrale gesellschaftspolitische Funktion ein. Botschens künstlerischer Umgang mit diesem Dokument und damit auch mit seiner eigenen Herkunft und Identität zeichnet den Prozess einer Selbstaneignung nach: Er scannt und überlagert die Doppelseiten des Ausweisdokuments, verkompliziert sie zu Palimpsesten, reduziert sie zu scharfkantigen Grafiken, spiegelt, verfremdet sie, überführt sie auf lackierte Aluminiumplatten. Der Blick durch die Kamera dient ihm dazu, diese potenziell nie endende ästhetische Verdauung zeitweilig zu stoppen und damit ganz wörtlich in der Reflexion Sinn zu finden. Botschens experimentelle Dekonstruktion des Passes provoziert die Frage, worin seine Wirkkraft begründet lag und wie sie nachwirkt.

Unter dem Titel PICTURES AS A PROMISE (p.a.a.p.) verarbeitet Ramona Schacht historische Fotografien und Dokumente aus Leipzig und Kyiv, die Arbeiterinnen in der Baumwolltextilproduktion darstellen. In ihrem ästhetischen Zugriff fragmentiert sie nicht allein die gefundenen Fotografien, sondern auch die darin dargestellten weiblichen Körper und erzeugt so immer wieder andere Spannungsverhältnisse zu den ursprünglich in den Aufnahmen angelegten Bedeutungen. In ihrem Entstehungskontext waren die Fotografien dazu angelegt, die Werte und die Produktivkraft einer sozialistischen Gesellschaft zu dokumentieren und sie somit zu propagieren. Mit wiederum fotografischen Mitteln unterzieht Ramona Schacht das historische Versprechen dieser Fotografien auf eine progressive Gemeinschaft einer Revision: Durch mal mehr, mal weniger deutlichen Beschnitt verlagert sie die Aufmerksamkeit bewusst auf einzelne Bildteile, denen sie durch Skalierung und Rahmung einen autonomen Status einräumt. Von einer Ganzheit des Bildes wird der Blick so verlagert auf die Körper, Posen und Gesten der Arbeiterinnen, die mal entindividualisiert erscheinen, deren Individualität sich dagegen andermal im Lachen Bahn bricht. So werden gerade ihre Hände zu Protagonistinnen, die bei betont repräsentativen Feierlichkeiten klatschen, Orden anstecken, Blumen und Urkunden entgegennehmen, unter schweren Arbeitsbedingungen aber besonders sanft aussehen müssen.

Für seine Videoinstallation Unstable Group arbeitete Dudu Quintanilha mit sieben Frankfurter Laien-Darsteller:innen zusammen, mit vier Frauen und drei Männern, die durch die Schauspielpraxis miteinander verbunden sind. Obwohl das Theater deutlich den räumlichen Kontext des Videos markiert und dieses sich theatraler Mittel bedient, zum Beispiel eines Skriptes mit einer bestimmten Dramaturgie und verteilten Sprechrollen, handelt es sich dabei um keine Theaterinszenierung im herkömmlichen Sinn. Denn die Gruppe der Darsteller:innen um Quintanilha entwickelte das Skript erst während der Zusammenarbeit, hat in Proben individuelle Erinnerungen an Jugend, Liebe, Drogenerfahrungen, Justiz, Tod und vieles mehr miteinander geteilt und so den Fortgang eines fragmentierten Narrativs bestimmt: In der Gruppe sind die Protagonist:innen nicht von ihren Figuren getrennt, vielmehr spielt sich die Gruppe selbst und fragt nach den Institutionen, die die eigenen Geschichten erst ermöglicht haben, nach Arbeit, der Familie, dem Staat, bestimmten Szenen und Subkulturen. Die Gruppe ist Medium und Inhalt von Unstable Group zugleich, sie ist ihr eigener Soundtrack. Der gesprochene Text dreht sich wie die Kamera um eine Reihe zentraler Fragen: Wie verhält sich das Individuum zur Gruppe, wie die Gruppe zur Institution? Durch welche Strukturen können sich Individuen kollektiv institutionalisieren?

Filmportraits der Projekte

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

YouTube immer entsperren

Publikation

Dokumentarfotografie Förderpreise 14 (Buch)

Publikation

Dokumentarfotografie Förderpreise 14 (Buch)

Herausgegeben von der Wüstenrot Stiftung, 79 Seiten, Ludwigsburg, 2023. ISBN 978-3-96075-030-7

ZUM BUCH

Herausgegeben von der Wüstenrot Stiftung, 79 Seiten, Ludwigsburg, 2023. ISBN 978-3-96075-030-7

ZUM BUCH

Publikation (PDF)

Dokumentarfotografie Förderpreise 14 (Download)

Publikation (PDF)

Dokumentarfotografie Förderpreise 14 (Download)

Herausgegeben von der Wüstenrot Stiftung, 79 Seiten, Ludwigsburg, 2023. ISBN 978-3-96075-030-7

ZUM DOWNLOAD

Herausgegeben von der Wüstenrot Stiftung, 79 Seiten, Ludwigsburg, 2023. ISBN 978-3-96075-030-7

ZUM DOWNLOAD

Die Stiftung auf Instagram

#Repost - @staatsgaleriestuttgart 📣

Hoher Besuch! Bei einem exklusiven Rundgang durch »Carpaccio, Bellini und die Frührenaissance in Venedig« schlenderten der Botschafter der Italienischen Republik in Deutschland, S. E. Armando Varricchio, Laura Lamia, Generalkonsulin von Italien in Stuttgart, Dott. Giuseppe Restuccia, Direktor Italienisches Kulturinstitut Stuttgart, der Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, Arne Braun, Isabel Fezer, Bürgermeisterin der Stadt Stuttgart, Referat Jugend und Bildung, der Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung, Dr. Martin Hoernes, der Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, Prof. Philip Kurz sowie Matthias Kopka, neuer Vorsitzender der Freunde der Staatsgalerie mit Staatsgalerie-Direktorin Christiane Lange und den beiden Kuratorinnen Dr. Annette Hojer und Dr. Christine Follmann durch unsere neue Ausstellung.
—
Carpaccio, Bellini und die Frührenaissance in Venedig
15.11.2024 – 2.3.2025
—
#staatsgalerie #stuttgart #vittorecarpaccio #renaissanceart #visitsüden

Open

🏆 𝗚𝗲𝘀𝘁𝗮𝗹𝘁𝘂𝗻𝗴𝘀𝗽𝗿𝗲𝗶𝘀 𝟮𝟬𝟮𝟰
„Lücken füllen – Wohnraum schaffen“ 🏙️🏡🏙️

Schon gehört?
Unsere Nominierten stehen fest! ✨

In seiner 14. Runde widmet sich der Gestaltungspreis der Wüstenrot Stiftung einem zentralen Thema unserer Zeit: Wie kann das Potenzial von innerstädtischen Lücken für nachhaltigen Wohnraum genutzt werden? Die 20 innovativen Projekte, die es ins Finale geschafft haben, zeigen kreative Lösungen für Flächennutzung und Stadtentwicklung.

📅 𝗣𝗿𝗲𝗶𝘀𝘃𝗲𝗿𝗹𝗲𝗶𝗵𝘂𝗻𝗴: 𝟮𝟴. 𝗝𝗮𝗻𝘂𝗮𝗿 𝟮𝟬𝟮𝟱 #savethedate
📍 Stuttgarter Hospitalhof

➡️ Mehr Infos & alle Finalist:innen auf:
gestaltungspreis.org

#Gestaltungspreis #wüstenrotstiftung #wuestenrotstiftung #archilovers #architecturelovers #WohnraumSchaffen #Nachverdichtung #Stadtentwicklung #MehrRaumfürAlle
@aumann_grafik

Open

Gesprächsreihe "𝗭𝘂𝗸𝘂𝗻𝗳𝘁𝘀𝗳𝗿𝗮𝗴𝗲𝗻 𝗱𝗲𝗿 𝗚𝗲𝘀𝗲𝗹𝗹𝘀𝗰𝗵𝗮𝗳𝘁" | 𝗣𝗢𝗣𝗨𝗟𝗜𝗦𝗠𝗨𝗦

Thea Dorn im Gespräch mit Prof. Dr. Nicole Deitelhoff und Dr. h.c. Wolfgang Thierse vom 30.09.2024

➡️ Alle Videos auf unserem YouTube Kanal, Link in Bio oder
youtube.com/wuestenrotstift

𝗧𝗵𝗲𝗺𝗮 𝗱𝗲𝗿 𝗗𝗶𝘀𝗸𝘂𝘀𝘀𝗶𝗼𝗻
Populistische Parteien gewinnen seit Jahren an Stärke. Sie beanspruchen, die Stimme des „einfachen Volkes“ gegenüber traditionellen Parteien, Eliten, Medien und Institutionen zu sein, und sind damit nicht nur in Europa, sondern auch in den USA oder Argentinien erfolgreich. In Zeiten überlappender Krisen versprechen sie einfache Lösungen und dringen in vielen demokratischen Staaten bis in die Mitte der Gesellschaft vor. Wie ist der Populismus einzuordnen? Was unterscheidet das für Demokratien wesentliche „Volksnahe“ und „Populäre“ vom „Populistischen“? Gibt es „den“ Populismus? Ist er ein Symptom einer Krise der politischen Repräsentation? Und wie können wir in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft die demokratische Fähigkeit bewahren, Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden?

#zukunftsfragendergesellschaft #populismus #wuestenrotstiftung #wüstenrotstiftung

Open

@wuestenrotstiftung