Seit 1869 wurden in Ludwigsburg Kaffee-Ersatzprodukte hergestellt. Gegründet von der Familie Franck, später mehrfach fusioniert, wird die Produktion Ende 2018 – mittlerweile in Besitz der Nestlé AG – eingestellt. Zentral gelegen, westlich des Bahnhofs, wirkt das Industriequartier mittlerweile fast aus der Zeit gefallen: Die imposanten Lager- und Produktionshallen aus unterschiedlichen Dekaden, der malzige Geruch nach längst verarbeiteten Zichorie, die kahlen Rohre der alten Kesselanlagen. Im Oktober 2020 hat die Stadt Ludwigsburg das nun leerstehende Franck-Areal am Bahnhof angekauft.
Neuland – Festival für Stadt | Raum | Kunst
Typ
Themengebiet
Projektlaufzeit
Projektbeteiligte
Stadt Ludwigsburg
NEULAND entdecken. Mit dem Projekt NEULAND öffnete die Stadt Ludwigsburg gemeinsam mit der Wüstenrot Stiftung das ehemalige Industrieareal der Firma Franck erstmals für Publikum. Künstlerinnen und Künstler, Expertinnen und Experten, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, sowie Akteure aus den Bereichen Kultur und Stadtplanung entwarfen Perspektiven und Bezüge, schafften Zugänge und befragten Räume, suchten nach Spuren und künstlerischen Potenzialen der leerstehenden ehemaligen Produktionsstätte des berühmten Caro-Kaffees.
NEULAND betreten. An einem langen Wochenende am 24. – 26.09.2021 wurden die Tore für Besucherinnen und Besucher jeden Alters geöffnet. Sie konnten das Areal durch einen performativen Rundgang erkunden oder durch Kunstwerke sinnlich wahrnehmen, sich den Wänden und Mauern künstlerisch nähern oder als Projektionsfläche für Filme und Bilder erleben. Sie waren eingeladen, mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen und Expertinnen und Experten über die Geschichte dieses Ortes und über seine Zukunft zu sprechen und zu diskutieren.
Entsprechend der im September geltenden Corona-Verordnungen konnten auf dem Areal die Erdgeschosse der historischen Gebäude an den Bahngleisen und die dahinter liegenden Produktionsräume für zahlreiches Publikum geöffnet werden. Sprühtrockenanlagen und Rohstofflager wurden zu Ausstellungsräumen und temporären Bühnen. Schaltwarten und Lager für Bigbags zu Orten der Begegnung und Teilhabe.
NEULAND erleben. Gemeinsam mit der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, der Filmakademie Baden-Württemberg, der Kunstschule Labyrinth, dem Ludwigsburg Museum, Studio Malta und weiteren Akteuren wurden über das gesamte Wochenende verteilt Veranstaltungen, Workshops, Ausstellungen, Gespräche, Führungen und vieles mehr geboten. In stillgelegten Lager- und Produktionsräumen ist ein urbaner Ort im Herzen Ludwigsburgs entstanden bei dem bis in die Abendstunden ein vielfältiges Programm bei kostenlosem Eintritt und einer Tasse Caro-Kaffee erlebt werden konnte.
Open Call – urban senses
Inwiefern lässt sich ein altes Fabrikgelände mit allen Sinnen für ein Publikum erschließen: Welcher Geruch bleibt in der Nase hängen, wenn man das Franck-Areal am Ludwigsburger Bahnhof betritt? Wie fühlen sich die rauen Betonwände der alten Lagerhäuser an? Welche Geräusche macht eine verstummte Abfüllmaschine? Kann man das Malz für die Caro-Kaffee-Produktion in der Luft noch schmecken?
Die drei prämierten Konzepte stehen gleichwertig nebeneinander und wurden im Rahmen von NEULAND auf dem Franck-Areal in Ludwigsburg umgesetzt.
Nomadische Recherche
Besucherinnen und Besucher erlebten das künstlerische Potenzial von Wartungshäuschen, Sprühtrockenanlagen und Leitständen in ihrem heutigen Zustand. Studierende der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, der Filmakademie Baden-Württemberg und ihres Animationsinstituts erarbeiteten gemeinsam performative Projekte für das Franck-Areal. Im Rahmen von NEULAND wurden die Ergebnisse öffentlich präsentiert: Spielerische transdisziplinäre Kunst zwischen Installation und Performance, Interaktivität und Kontemplation, Vergangenheit und Zukunft.
Publikation
Neuland Dokumentation (Download)
Publikation
Neuland Dokumentation (Download)
Herausgegeben von der Wüstenrot Stiftung und der Stadt Ludwigsburg, Faltblatt. Eine gemeinsame Veröffentlichung der Wüstenrot Stiftung und der Stadt Ludwigsburg, Ludwigsburg, 2022.
ZUM DOWNLOADHerausgegeben von der Wüstenrot Stiftung und der Stadt Ludwigsburg, Faltblatt. Eine gemeinsame Veröffentlichung der Wüstenrot Stiftung und der Stadt Ludwigsburg, Ludwigsburg, 2022.
ZUM DOWNLOADSpeicher der Zukunft
Eine interaktive Installation von Thomas Rustemeyer und Julian Warner
So sehr wir uns um einen wirklichen Neuanfang bemühen: Das Neuland, das wir betreten, die neue Zeit, in die wir aufbrechen, wird nie ganz unabhängig von der alten sein. So haben Menschen, die sich ins Unbekannte aufmachten, immer etwas aus der Heimat mitgenommen – und tun das auch heute noch. Thomas Rustemeyer und Julian Warner zeigen mit dem „Speicher der Zukunft“ (22.09.–15.10.22), dass Altes in neuer Konstellation und Überliefertes, das uns ans Herz gewachsen ist, auch seinen Platz in der Zukunft haben darf.
In einem ehemaligen Produktionsgebäude auf dem Franck-Areal haben sie ein Archiv mit Schreibtischen, Telefonen, Aktenordnern und jeder Menge Papierkram eingerichtet. Hier konnten die Bürger*innen ihre eigenen Antworten auf die Zukunftsfragen abgeben – in Form von kleinen oder großen Objekten, Choreografien, Melodien oder aufgezeichneten Anekdoten. Alle Beiträge waren willkommen.
Die Angestellten, Beamt*innen , gespielt von geschulten Performer*innen, agierten nach einem strengen Protokoll. Sie nahmen die eingereichten Zukunfts-Objekte in Empfang, protokollierten den Eingang und führten die Besucher*innen durch das Schaudepot mit allen bislang abgegebenen Stücken. Tag für Tag und Woche für Woche erweiterte sich mit jeder Leihgabe die Erzählung eines neuen Ludwigsburgs.
Das Projekt war eine Kooperation der Stadt Ludwigsburg mit der Wüstenrot Stiftung
Im Rahmen des Festivals ÜBER:MORGEN der KulturRegionStuttgart eröffnete der „Speicher der Zukunft“ auf dem ehemaligen Franck-Areal am Ludwigsburger Bahnhof temporär seine Pforten. Wir stellten den Ludwigsburger*innen drei simple Fragen:
- Was ist für dich erhaltenswert?
- Was ist für dich zukunftsweisend?
- Was sollte Ludwigsburg mit in die Zukunft nehmen?
Begleitprogramm
Im Rahmen der siebenteiligen Diskursreihe „Das neue Alphabet der Region“ lud die KulturRegion Stuttgart am 29. September zu einem Abend in den „Speicher der Zukunft“ im Franck-Areal ein: Unter dem Motto „Chancen der Deindustrialisierung“ diskutiert Constantin Wizemann (Impact Hub Stuttgart) mit weiteren Expert*innen sowie interessierten Besucher*innen . Seit den 1970er Jahren versetzt die Vorstellung leerer Industriehallen die Menschen wahlweise in Angst oder in Verzückung. Die einen fragen sich, wo sie in Zukunft arbeiten sollen, während die anderen von Mischnutzungen und Zukunftstechnologien träumen. Einst wurden Fabriken zu Kulturfabriken, aber was ist heute? Mit welchen Fantasien füllen wir nun die leeren Hallen? Musikalisch wurde der Abend von Jonas Khalil an der Gitarre begleitet.