Die soziale Mischung in der Stadt erfordert aufgrund ihrer vielschichtigen Konstitution einen solch umfassenden Ansatz, wenn es gelingen soll, fundierte Einschätzungen zu den zentralen Antriebskräften und Prozessen vorzulegen. Die Facetten reichen dabei weit in die historische Entwicklung unserer Städte zurück und schließen gleichermaßen die heutige Diskussion über Identität und Wettbewerbsfähigkeit der Lebenswelten in einem global geprägten Kulturkreis ein. In mehrfacher Hinsicht betrifft die soziale Mischung in den Städten die Kernfragen des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft und beeinflusst zugleich ihre Zukunftsperspektiven.
Begriffe wie Gated Community als Synonym für homogene, abgeschlossene Wohnquartiere oder Gentrifizierung als Beschreibung eines wachsenden (Verdrängungs-)Wettbewerbes in milieubedingt besonders begehrten Lagen oder Segregation als Ausdruck für wachsende Entmischung und räumliche Trennung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen werden nicht mehr nur in der fachlichen Debatte verwendet. Die Erörterung neu entdeckter Phänomene in der Stadtentwicklung gewinnt auch auf der medialen Agenda an Gewicht.
Die erkennbaren Prozesse ähneln in ihrer Struktur den Auswirkungen des demografischen Wandels. Sie verlaufen in kleinräumigen Maßstäben parallel zueinander und können sich dennoch in ihrer Wirkungsrichtung und in ihren Ergebnissen voneinander unterscheiden. Zu beobachten sind in Deutschland aktuell sowohl soziale Entmischung und dynamisch zunehmende Leerstände in bestimmten Stadtteilen als auch ökonomischer Verdrängungsdruck und große Nachfrageüberhänge in besonders attraktiven Lagen, vor allem in weiterhin wachsenden Agglomerationsräumen.
Diese Ambivalenz der Gesamtentwicklung resultiert auch aus den Erfolgen einer gezielt gestärkten Reurbanisierung, die in prosperierenden Regionen zu einer steigenden Nachfrage urbaner Standorte geführt hat. Die neue Attraktivität des Wohnens in den Städten erzeugt in begehrten Lagen höhere Preise und kann bewirken, dass ökonomisch schwächere Haushalte diesen Anstieg nicht mittragen können. Obwohl dann der Zuzug neuer, oft jüngerer Bevölkerungsgruppen zunächst die soziale Mischung in diesen Quartieren in der Regel erhöht, kann daraus in anderen, benachbarten Quartieren ein Entmischungsprozess verstärkt werden, dessen Auswirkungen die Ausgewogenheit der sozialen Zusammensetzung gefährdet. Einfache Handlungskonzepte gibt es angesichts dieser Komplexität und gegenseitigen Abhängigkeiten nicht. Stattdessen wächst der Bedarf an einer breiten und facettenreichen Diskussion über die Aspekte und Herausforderungen in der Stadtentwicklung von heute und morgen.
Das Forschungsprojekt der Wüstenrot Stiftung zur sozialen Mischung in der Stadt hatte das Ziel, zu dieser Diskussion mit fundierten Impulsen und empirischen Beobachtungen beizutragen. Der Blick richtet sich dabei auch über die nationalen Grenzen hinweg auf die Entwicklungen in anderen Ländern. Aufgrund der wachsenden globalen Verflechtungen kann eine national geführte Debatte nur einen Baustein in einer weiter gefassten Betrachtung darstellen. Ohne den Zusammenhang mit den internationalen Entwicklungen, ohne einen Vergleich mit den Auffassungen und Haltungen unserer weltweiten „Nachbarn“ und den global mit diesem Thema verbundenen Herausforderungen können Ausmaß und Bedeutung der hiesigen Prozesse und Veränderungen nicht adäquat eingeschätzt werden.