Visionär und weltweit einzigartig: Die filigran geschwungene Struktur von Carlfried Mutschler und Frei Otto, erstellt 1975 für die Bundesgartenschau, ist bis heute die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt. Eine Ikone der Architektur und Ausdruck einer Zeit, die von der Suche nach neuen und freien Formen des Bauens bestimmt war. Mit der Dachlandschaft des Olympiaparks von 1972 in München zählt die Multihalle weltweit zu den bedeutendsten Werken, an denen Frei Otto maßgeblich beteiligt war. Seit 1998 steht sie unter Denkmalschutz – seit 2019 als „Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung“.
Multihalle von Frei Otto in Mannheim
Typ
Themengebiet
Projektlaufzeit
Eigentümer | Nutzer
Projektbeteiligte
Stadt Mannheim: Ralf Eisenhauer, Evelyn Fiedermann, Belinda Otremba, Tatjana Dürr, Vanessa Bracht, Cosima Berg
Denkmalprojekt:
Fast + Epp Tragwerksplanung, Darmstadt: Dr. Jochen A. Stahl, Christian Rosenkranz, Jork Depke, Steffen Müller-Braun, Annegret Binz; Ingenieurgruppe Bauen, Mannheim: Axel Bißwurm, Patrick Beck (Prüfingenieure); Elsässer Holzbauwerte, Mannheim: Matthias Elsässer, Matthias Scheller (Bauaus-führung); Transplan, Stuttgart: Prof. Volkmar Bleicher; Blieske architects lighting designers, Berlin: Prof. Jan Blieske; Prof. Dr. Jan Cremers, Stuttgart ( Beratung); ITF Technical Fabrics, Raubling: Hans Jörg Zabel, Michael Wolf; Ingenieure Tomshöfer Partner, Bochum: Heiko Tomshöfer; USP Ultraschall, Henningsdorf: Thomas Hupatz; Senay Memet, Karlsruhe (Archivrecherche); Schwing & Dr. Neureither Vermessung und Geoinformation, Mosbach: Thorsten Schwing, Hardy Schwalb; Rauschenberg Ingenieure, Burghaun Steinbach: Thomas Faulstich; Prof. Dr. Alexander Kern, Aldenhoven (Sachverständiger Blitzschutz)
Denkmalbehörden:
Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg: Dr. Claudia Mohn, Dr. Ute Fahrbach-Dreher †
Doch die Wertschätzung der Multihalle war nicht immer so hoch: Als temporäres Bauwerk war sie ursprünglich nicht für eine dauerhafte Nutzung vorgesehen. In den 1990er Jahren führten Verformungen des Daches zu einem Auslaufen der Baugenehmigung, und als der Mannheimer Gemeinderat 2016 einen Vorschlag zur Sanierung und Weiternutzung zunächst mehrheitlich ablehnte, drohte sogar der Abriss. Maßnahmen zu Erhalt und Instandsetzung des Gebäudes sind letztlich dem Engagement von Initiativen wie dem Verein Multihalle e. V. zu verdanken.
Probeweise Instandsetzung
Der erste Beitrag der Wüstenrot Stiftung zur dringend notwendigen Sanierung der Multihalle bestand im praktischen Ausprobieren der planerischen Sanierungs-, Verstärkungs- und Reparaturideen der Ingenieure von Fast & Epp, Darmstatt 1:1 am Objekt. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse lieferten die Grundlage für die Maßnahmen, die seit 2024 durchgeführt werden. Auch diese werden von der Wüstenrot Stiftung unterstützt.
Ziel der Sanierung ist es, das Erscheinungsbild und das Konstruktionsprinzip des Tragwerks zu erhalten und gleichzeitig die erforderlichen Veränderungs- und Modernisierungsarbeiten durchführen zu können, damit die Halle – anknüpfend an ihr ursprüngliches Programm – zukünftig als offener Raum der sozialen Interaktion, des kulturellen Engagements, der akademischen Wissenschaft und der Partizipation genutzt werden kann.
„Der Beginn der Sanierung war ein großer Tag für die Multihalle. Jetzt kann man wirklich sagen, dass sie gerettet ist. Dass wir die Halle nun tatsächlich sanieren und für die zukünftige Nutzung vorbereiten können, verdanken wir nicht zuletzt unserem Partner, der Wüstenrot Stiftung. Es ist ein großes Glück, dass die besten Experten für dieses Projekt bei der Wüstenrot Stiftung verankert sind.“
Tatjana Dürr, Referentin für Baukultur der Stadt Mannheim
Für die probeweise Instandsetzung wurde eine Laseranlage eingebaut, die mit 40 Sensoren im Minutentakt die Bewegungen und Verformungen der Dachkonstruktion misst. Ziel war es, herauszufinden, wie es konkret gelingen kann, Dellen und Beulen in der Dachkonstruktion wieder in ihre ursprüngliche Geometrie zu bringen. Dies wurde am Beispiel der mit 71 cm größten Verformung erfolgreich erprobt.
Über ein Raumgerüst wurden 100 Schwerlastsprieße gestellt und in einem komplexen Verfahren zur Herstellung der ursprünglichen Geometrie der Dachkonstruktion eingesetzt. Der Rückverformungsprozess wurde mit der eingebauten Laseranlage millimetergenau abgebildet und überwacht.
Die Schalenkonstruktion der Multihalle besteht aus kreuzweise in zwei bzw. vier Lagen übereinander verlegten Holzatten. Die für die denkmalgerechte Sanierung nötige statische Verstärkung der Holzkonstruktion in Form von Verstärkungslatten wurde ebenfalls im Rahmen einer Testfläche erprobt und in ihren Anschluss- und Befestigungsdetails einschließlich der Membran getestet. Parallel dazu erfolgte der probeweise Austausch eines Holzrandträgers und die Untersuchung einer Stahlstütze.
Film zur probeweisen Instandsetzung
Spannende Einblicke in den Prozess gibt es in unserer Playlist