Die im zweiten Weltkrieg vollkommen ausgebrannte Paulskirche wurde bereits ab 1946 wiederaufgebaut. Das 100. Jubiläum des ersten Parlaments auf deutschen Boden, der 1848/49 tagenden Nationalversammlung, stand bevor. Trotz der beginnenden deutschen Teilung wurde der Wiederaufbau der Paulskirche durch Geld- und Sachspenden aus allen Teilen des Landes getragen. Zu verantwortlichen Architekten wurde eine Arbeitsgemeinschaft unter Führung des bekannten Kölner Kirchenbaumeister Rudolf Schwarz bestimmt. Dieser formulierte voller Pathos den Anspruch, die neue Paulskirche sei „von einer solch mönchischen Strenge, daß darin kein unwahres Wort möglich sein sollte“.
Frankfurter Paulskirche
Typ
Themengebiet
Projektlaufzeit
Projektbeteiligte
Oliver Elser, Peter Cachola Schmal
Zur selben Zeit wurde in Frankfurt mit großer Schärfe über den Wiederaufbau des ebenfalls zerstörten Goethehauses diskutiert. Anders als dieses wurde die Paulskirche schließlich nicht rekonstruiert, sondern in einem Akt ‘ interpretierender Denkmalpflege‘ (Wolfgang Pehnt) als Denk- und Mahnmal in den ausgeglühten Mauern neu aufgebaut. So entstand einerseits ein Erinnerungsort an den gescheiterten ersten Versuch der Demokratie auf deutschem Boden und zugleich eine gebaute Verpflichtung, aus der zweiten Niederlage der Demokratie in der Katastrophe des NS-Regimes nun die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Seit 2017 hegt die Stadt Frankfurt Sanierunsabsichten für die Paulskirche. Diese haben eine öffentliche Debatte angestoßen, ob der derzeitige Zustand noch akzeptabel und der Würde des Ortes angemessen sei. Hierbei wird jedoch häufig übersehen, dass die Paulskirche mittlerweile keineswegs mehr dem Zustand des Wiederaufbaus entspricht, sondern dem Ergebnis einer Sanierung zwischen 1986 und 1988. Die Raumkonzeption ist geblieben, aber die zur Ausbalancierung der Kargheit geschaffenen feinen Details sind an vielen Stellen zerstört worden.
Um die Konzeption und Qualität des Wiederaufbaus von 1948 in Bezug auf den ursprünglichen Bau zu erforschen, neu zu entdecken und – auch vor dem Hintergrund der Frankfurter Altstadtrekonstruktion – zu erklären, hat die Wüstenrot Stiftung 2019 zusammen mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) Frankfurt ein Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Eine zentrale Fragestellung hierbei: Was wiegt stärker: Die Sehnsucht, mehr von der Geburtsstunde des Parlaments 1848 zu spüren, oder die Erinnerung daran, wofür die Paulskirche seit 1948 steht?
PAULSKIRCHE. Demokratie, Debatte, Denkmal
Eine Kooperation der Wüstenrot Stiftung mit dem Magistrat der Stadt Frankfurt am Main sowie den städtischen Institutionen Deutsches Architekturmuseum, Historisches Museum Frankfurt und Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main.
Am 28.06.2022 eröffneten Prof. Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung, und David Dilmaghani, Leiter des Dezernatsbüros Kultur und Wissenschaft, die neue Dauerausstellung in der Frankfurter Paulskirche. Im Anschluss gaben Philipp Sturm und Dr. Dorothee Linnemann eine kuratorische Einführung. Die Ausstellung wurde in den letzten Monaten grundlegend überarbeitet und neu konzipiert.
„Mit der neuen Dauerausstellung erhält die Paulskirche eine zeitgemäße museale Würdigung, die gleichzeitig durch die gewählte digitale Form zurückhaltend auftritt und mit der nüchternen Architektur harmoniert. Sie ist in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzen und garantiert, dass die Paulskirche sowohl als Denkmal der Demokratie, als auch als Ort der politischen und kulturellen Bildung wahrgenommen wird. Ich bin sicher, dass die erarbeiteten Inhalte der Ausstellung auch nach der anstehenden Sanierung und dem langfristig geplanten Bau des Hauses der Demokratie ihren Platz im Demokratieort Paulskirche finden werden“
Kultur- und Wissenschaftsdezernentin Dr. Ina Hartwig
„Ein Ziel der digitalen sachlich reduzierten Präsentation in den Fensternischen ist es, die Qualitäten der Nachkriegsarchitektur von Rudolf Schwarz wieder sichtbarer zu machen. Das Aufräumen der Wandelhalle ermöglicht nun einen klareren Blick auf die Zeitschicht von 1948.“
Kurator Philipp Sturm
Ausstellung entdecken
Die digitale Ausstellung in der Wandelhalle präsentiert in sechs Stationen die wechselvolle Baugeschichte der historischen Paulskirche und des heutigen Gebäudes. Sie bietet einen Überblick zur Frankfurter Nationalversammlung und deren Verfassungsgeschichte. Außerdem werden in Schlaglichtern mehr als 70 Jahre Debattenkultur vorgestellt und ein Ausblick auf den künftigen Demokratieort Paulskirche und das Haus der Demokratie gegeben.
Paulskirche
Paulsplatz 11
60311 Frankfurt am Main
täglich von 10-17 Uhr
oder vollständig online unter:
www.paulskirche.de